Provenienzforschung – Kulturgeschichte – Zeitgeschichte – Digitale Medien
Meine beruflichen Tätigkeiten konzentrieren sich seit 2005 auf die Provenienzforschung zu in der NS-Zeit entzogenen Objekten. Dabei baue ich auf meinen Studien und meinen beruflichen Erfahrungen auf.
Provenienzforschung untersucht die Herkunft von Kunst- und Kulturgütern, und war lange Zeit „nur“ eine Teildisziplin der Kunstgeschichte. Nach dem Ende der Zweiten Weltkriegs setzten die Alliierten, besonders die USA, zahlreiche Maßnahmen, die unter NS-Herrschaft entzogenen und zwangsverkauften Kunst- und Kulturgüter an die früheren EigentümerInnen zurückzugeben. Voraussetzung dafür waren Recherchen, um die früheren EigentümerInnen und die Umstände der Eigentumsübergänge zu ermitteln. Auf internationaler Ebene erhielt die Provenienzforschung zu in der NS-Zeit entzogenen Kulturgütern durch die Washington Principles von 1998 einen bis heute wirksamen neuen Anstoß. In Österreich setzte im selben Jahr der Bund mit der Einrichtung der Kommission für Provenienzforschung und der Verabschiedung des Kunstrückgabegesetzes für seine Sammlung den Rahmen für die Recherche zu den früheren EigentümerInnen und die Rückgabe von in der NS-Zeit entzogener Kunst. Mittlerweile befasst sich die Provenienzforschung mit weiteren Untersuchungsgebieten, wie den Erwerbungen in der Kolonialzeit. Es ergeben sich z. B. bei ostasiatischen Objekten auch Überschneidungen – wenn etwa ein chinesisches Kunstwerk, von dem nicht bekannt ist, woher es ursprünglich stammt und wie es nach Europa gelangte, in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen wurde.
Kulturgeschichte befasst sich mit den Formen der Gestaltung menschlichen Zusammenlebens. Dazu gehören auch die Bedingungen, unter denen Kunst- und Kulturgegenstände erzeugt, gehandelt, gesammelt, verwendet werden. Zu erforschen, welche Kunst- und Kulturgegenstände in der NS-Zeit entzogen wurden, ist nur möglich, wenn auch die Sammlungslandschaft, die Museen und Ausstellungen, der Kunsthandel, die Kulturbürokratie vor der Machtübernahme der NationalsozialistInnen und die Netzwerke, die sie bildeten, in den Blick genommen werden. Wesentlich ist dabei die Analyse struktureller und personeller Kontinuitäten über die wechselnden demokratischen, autoritären und diktatorischen Systeme hinweg.
Zeitgeschichte etablierte sich nach 1945 als Teildisziplin der Geschichtswissenschaften, die sich mit jenen Epochen befasste, die von den die jetzt Lebenden bewusst wahrgenommen worden waren. In ihrer Anfangszeit setzt sich die Zeitgeschichtsforschung daher mit dem 20. Jahrhundert bzw. der Zeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auseinander. Insbesondere in Deutschland und Österreich lag und liegt der Fokus auf der Aufarbeitung der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkriegs. Auch wenn sich die von den heute Lebenden wahrgenommenen Epochen mittlerweile verschoben haben, bleibt die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ein wesentliches Forschungsfeld, da die Folgen der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkriegs bis heute unsere Gesellschaft prägen und viele Fragen noch zu klären sind.
Digitale Medien bieten für die Geistes- und Kulturwissenschaften neben Optionen in der Kommunikation und Publikation vor allem neue Möglichkeiten, Daten und insbesondere Quellen zu erfassen und auszuwerten. Für das 20. Jahrhundert liegen Archivalien selbst zu kleineren Forschungsfeldern meist in so großer Zahl vor, dass ihre Aufarbeitung ohne digitale Hilfsmittel kaum zu bewerkstelligen ist. Für die Provenienzforschung bilden insbesondere historische Karteien, Inventar-, Depot- und Transportlisten, Auktions- und Ausstellungskataloge wesentliche Quellenbestände. Diese wurden mehr oder weniger strukturiert erstellt und ihre einzelnen Positionen meist nummeriert. Damit sind sie prädestiniert für die Digitalisierung. Zudem untersucht die Provenienzforschung meist Objekte, die in Museen verwahrt und daher in Museumsdatenbanken dokumentiert werden. Digitale Werkzeuge zu nutzen, hat also in der Provenienzforschung Tradition. Nun ist es wesentlich, bei der Entwicklung und Betreuung von Plattformen diese möglichst lange nutzbar und verfügbar zu halten und den Austausch zwischen Datenpools zu ermöglichen bzw. zu verbessern.